1962: Schwabinger Krawallen – Der Russe ist schuld

Schwabinger Krawalle. Foto: Gerhard Fürmetz

Am Abend des 21. Juni 1962, auf einer Bank vor dem Weinlokal Hahnhof in der Münchener Innenstadt, zupften fünf Teenager ihre Gitarren: zwei Gymnasiasten, ein Schreiner, zwei Lehrlinge. Sie sangen russische Volkslieder. Als die Polizei wegen Ruhestörung die Jungs mitnehmen wollte, eskalierte die Situation. Tagelange Krawallen folgten.

Die Polizei war überfordert und machte russische Propaganda dafür verantwortlich. Die Beweise: Bücher des russischen Schriftstellers Fjodor Dostojewski und ein Teekocher aus sowjetischer Produktion. 

Es war Sommer, es war heiß und irgendwas lag in der Luft. Als die Polizisten die Musiker wegbringen wollte, rüttelte plötzlich eine aufgebrachte Menge am Streifenwagen, hob das Heck des Autos hoch und ließ Luft aus einem Hinterreifen ab. Die Beamten konnten noch wegfahren und über Funk Verstärkung anfordern. Mit neun Einsatzwagen kam die Polizei zurück und lieferte sich eine Schlägerei mit der Menge. 

Krawalle in der Leopoldstraße 

Was folgte, sollte München tagelang in Atem halten. Jugendliche und Beamte prügelten aufeinander ein - fünf Nächte in Folge. Der Mob demolierte Autos, blockierte Straßen, beschimpfte die Ordnungshüter. 

Am dritten Abend waren schon 10.000 Menschen vor Ort. In Bussen kamen Schaulustige und gewaltbereite Jugendliche aus dem Umland in die Stadt. Schließlich machten etwa 40.000 Menschen bei den Krawallen mit. 

Knüppel raus 

Die Polizei reagierte hart und prügelten sich wahllos durch die Münchner Innenstadt. Berittene Polizisten galoppierten über die Terrassen der Bars, scheuchten die Besucher auf und zerschmetterten das Mobiliar. Gäste wurden aus den Cafés gezerrt.

Dutzende Schwerverletzte waren die Bilanz pro Nacht. Die Stadtoberen waren hilflos. "Die jungen Leute haben zu viel Geld und zu wenig Arbeit", sagte Münchens Universitätsrektor Julius Speer der Presse

Fake News zu Begründung

Das überaus harte Vorgehen der Polizei sorgte für Kritik von allen Seiten. Zeitungsberichte schrieben von verprügelten Kindern, Rentnern und Frauen. "Verletzte wälzten sich auf der Straße", berichtete die Süddeutsche Zeitung, die Münchner Abendzeitung kommentierte "Polizei versagte",

Die Behörde suchte nach Gründen, das harte Vorgehen zu verteidigen – und fand in einer Wohnung der klimpernden Jugendlichen die oben erwähnten Beweise. Es konnte sich also nur um linksradikale Hetze handeln. Die Presse und auch die Münchener Bürger überzeugten diese Argumente nicht.

 Das Ende 

Dass Ende kam schließlich mit einem Wetterumschwung. In der Leopoldstraße ging ein Sommergewitter nieder. Bei Temperaturen von nur noch 13 Grad waren auch Gemüter abgekühlt. Das juristische Nachspiel indes hatte Folgen für viele Beteiligte. Rund 200 Menschen waren festgenommen worden, 54 Personen wurden zu Geldstrafen oder Gefängnis verurteilt.

Von den 143 beschuldigten Polizisten wurden hingegen nur vier verurteilt. Die Beamten trugen damals weder Namensschild noch Dienstnummer und konnten nicht identifiziert werden. 

Quellen