1987: Volkszählung – aus heutiger Sicht schon niedlich

Protest gegen die Volkszählung 1987: Beklebung der Berliner Mauer mit Personenbögen

1981 geplant, 1983 gescheitert, 1987 durchgeführt. Die Volkszählung sorgte für Aufruhr in der Bevölkerung. Gegner sprachen vom gläsernen Bürger, Befürworter versprachen sichere Renten und die Befreiung der Frau. Beide Seiten verbreiteten Fake News und übertrieben maßlos. 

Die Volkszählung in der Bundesrepublik Deutschland war vom Bund ursprünglich bereits für das Jahr 1981 geplant. Wegen eines Streits um die Höhe des Bundeszuschusses verzögerte sich der geplante Zähltermin auf 1983. Doch schnell hatten sich hunderte von Bürgerinitiativen gebildet, die zum Boykott der Volkszählung aufriefen. Und sie sollten recht bekommen. 

Am 15. Dezember 1983 untersagte das Bundesverfassungsgericht die Volkszählung und formulierte, historisch bedeutsam, das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung.

Neuauflage 1987

Für den Befragung 1987 wurden die Bögen neu konzipiert. Eine Werbekampagne startete, die teils lächerliche Begründungen lieferte. So könnten aufgrund der Volkszählung "gezielte Maßnahmen zum Abbau der Benachteiligung der Frau am Arbeitsplatz und zur Verbesserung ihrer Berufschancen getroffen" werden. Die Volkszählung trage zur "Sicherung der Renten" oder "Schaffung von Arbeitsplätzen" bei.

Aber auch die Kritiker hatten ihre Argumente stark überzogen. Eine "schleichende Einschränkung von Bürgerrechten" wurde befürchtet, das Fortschreiten der Computerisierung würde Polizei und Geheimdiensten zu Datensammlern machen. Die Demokratie insgesamt sei in Gefahr. 

Beiden Seiten hätte etwas mehr Zurückhaltung gut getan. Nach dem jahrelangen Streit waren die Fronten aber natürlich verhärtet. In dieser aufgeheizten Atmosphäre wurden die rationalen Stimmen nicht mehr wahrgenommen. Die Boykottaufrufe waren teils spektakulär.

Auf beiden Seiten wurde phantasievoll agiert

Am 15. Mai 1987 prangte vor einem wichtigen Bundesligaspiel von Borussia Dortmund gegen den Hamburger SV der Spruch "Boykottiert und sabotiert die Volkszählung" auf dem Rasen des Dortmunder Westfalenstadions. Durch eine plötzliche Idee, die telefonisch die "schmunzelnde Zustimmung" des Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker bekam, wurde für das Stadion- und Fernsehpublikum ein "Der Bundespräsident:" davor und ein "nicht" auf dem Rasen angefügt.

Aus heutiger Sicht wichtig

Angesichts heutiger Datenkraken wie Facebook, Google und anderer Internetkonzerne scheinen die damaligen Befürchtungen geradezu prophetisch. Nur dass nicht der Staat das Problem ist, sondern Konzerne, die ohne Rechtsrahmen global agieren können. Erst in den letzten Jahren beginnen erste zarte Korrekturen Früchte zu tragen.

Die Datenschutzgrundverordnung der EU ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Bis das Recht auf informelle Selbstbestimmung aber wirklich durchgesetzt werden kann, ist es aber noch ein weiter Weg. 

Die Ergebnisse der Volkszählung von 1987 besaßen nach Angaben der statistischen Ämter übrigens eine insgesamt gute Qualität. 

Quellen